Heute hier, morgen dort…

Heute hier, morgen dort…
Festanstellungen und Arbeitnehmertreue – das war einmal. Shitstorm gegen eine einsame NDR-Entscheidung. Eine Wolke für die Wüste. Verschlüsselung für alle. Und: Auch Radiohören bildet.

Das waren noch Zeiten, als man mehr als 32 Jahre beim selben Arbeitgeber tätig sein durfte. So lange war Ulrich Spies Referent des renommiertesten deutschen Fernsehpreises.

Sein Nachfolger im Grimme-Institut, der mit allen Medienmedien und den von den Medienmedien interviewten Medienmachern bestens vernetzte Steffen Grimberg, verlässt jedoch nach nur wenigen Monaten Marl in Richtung Leipzig. Dort wird er 2016 gemeinsam mit Sabine Krebs den ARD-Sprecher geben. Die besten Kritiker der Elche werden später selber welche? Bei der ebenso bestens vernetzten Ulrike Simon, die den Wechsel ausgegraben hat, könnte man sich das jedenfalls eher nicht vorstellen.

Warum nun wieder ein schneller Abgang, nachdem es Grimberg zunächst recht lange bei der FAZ des Niedriglohns, der taz, ausgehalten hatte, um dann beim NRD-Magazin Zapp ein kürzeres Gastspiel zu geben? Lag es am Arbeitsplatz Marl, dessen volle Schönheit Dominik Graf in seinem auch in anderer Hinsicht sehenswerten Film „Es werde Stadt“ gewürdigt hat? Oder an Unstimmigkeiten mit der Institutsleiterin Frauke Gerlach? Geliebäugelt, so Grimberg zu Simon, habe er schon einmal mit dem Posten eines ARD-Sprechers. Oder wie es die etwas hastig dahinformulierte Grimme-Pressemitteilung ausdrückt:

“Es fällt mir nicht leicht, mitten im Wettbewerb in einer so besonderen Zeit umzusteigen. Wir haben gerade erst eine Reform des Preises angestoßen, die jetzt umgesetzt wird. Doch eine solch spannende Aufgabe wie die bei der ARD bietet sich nicht alle Tage, so Grimberg.“

Pressesprecher als Traumjob? Das lassen wir mal unkommentiert. Grimbergs kommissarische Nachfolge übernimmt übrigens Lucia Eskes, bislang „im Grimme-Preisteam für die organisatorische und inhaltliche Durchführung des TV-Wettbewerbs verantwortlich“. Nun muss jemand her, der nicht nur organisieren, sondern auch die Umbrüche in der Fernsehlandschaft mit der gewohnten Grimme-Preis-Kompetenz begleiten kann – und auch einen Arbeitsplatz Marl in Kauf nimmt.

[+++] Nicht nur zur Grimbergschen Personalia könnte man nun im Radio Musik unterlegen: „Dieser Weg wird kein leichter sein…“ Wer um alles in der Welt hielt es beim NDR für eine gute Idee, ausgerechnet den der Homophobie und des Reichsbürgertums verdächtigen Xavier Naidoo zu Germany´s next Conchita Wurst zu machen? Oder war der Shitstorm inklusive Bild-Titel-Geschichte („Grand-Prix-Streit um Xavier Naidoo“) mit einprogrammiert, um dem aus deutscher Sicht schon wieder lahmendem Format neuen Schwung zu geben? Die Satiriker von extra3 twitterten jedenfalls deMaizieresk:

"Warum ausgerechnet Xavier #Naidoo Deutschland vertritt? Ein Teil dieser Antwort würde uns ganz sicher verunsichern!"

Auf der höchsteigenen Eurovisionsseite erklärt Thomas Schreiber, Unterhaltungskoordinator der ARD:

„Wer ihn im Konzert erlebt, weiß, dass die Sonne aufgeht, wenn Xavier singt. Er ist erfahren, hat den nötigen Hunger, um ganz vorne landen zu wollen, und er stellt sich ohne Angst vor dem Risiko in den Dienst der Sache.“

Dass Letzteres stimmt, lässt sich auch schön in dem Video seines Auftritts vor den so genannten Reichsbürgern erleben, den Sueddeutsche.de im Artikel verlinkt hat und der, im Gegensatz zu Michael Hanfelds Artikel recht eindeutige Worte findet („ein schlechter Scherz“). FAZ-Mann Hanfeld, sonst um kein ARD-Bashing verlegen, zeigt sich vergleichsweise milde und scheint Naidoos erfolgte Distanzierung ernst zu nehmen. Dass das aber längst nicht das Ende vom Lied, bzw. der Empörung über den Sänger sein dürfte, weiß beispielsweise der Tagesspiegel, der die unterschiedlichen Petitionen, offenen Briefe und sonstigen Proteste recht gut zusammenfasst.

Die Frage,die für mich offenbleibt: Was sagt überhaupt Peter Urban zu dem Ganzen?


Altpapierkorb

+++ Die Deutsche Welle wurde in den letzten Monaten oft kritisiert. Sei es, weil sie zu freundlich zu den Chinesen war oder auch zu unfreundlich zu den eigenen Mitarbeitern, die um ihre Arbeitsplätze fürchteten. Intern ist mittelfristig Ruhe eingekehrt und nach außen profiliert sich die Deutsche Welle Akademie, frischgebackene 50erin, als demokratiefördernde Institution. Nun hat sie mitgeholfen, für das bürgerkriegsgebeutelte Libyen eine cloudbasierte Nachrichtenagentur zu schaffen.. Darüber berichtet die SZ, "Markt und Medien" im DLF hatte dazu im August einen Beitrag. +++

+++ Die Berliner berichtet über die Sonderausgabe der Abendschau des RBB auf Arabisch. Also, wenn Sie Flüchtling sind oder Arabisch studieren, hier entlang. +++

+++ Ts, ts, ts: RTL und RTL2 haben Werbung und Programm nicht sauber getrennt – sagen die Medienwächter. Eine gute Nachricht für alle Verfechter der Entschleunigung: Bei den jetzt inkriminierten Fällen handelt es sich um Vorgänge aus dem November 2014.

+++ Snowden tut es, Mascolo vermutlich auch, nur Sie und ich vermutlich immer noch nicht: die Mails so verschlüsseln, dass nicht jeder Hans und Franz Schlapphut mitlesen kann. Da will das Fraunhofer-Institut nun Abhilfe schaffen und entwickelt eine „Volksverschlüsselung“. Obwohl: macht man sich nicht erst recht verdächtig, wenn man verschlüsselt? Aus diesem Dilemma kann vermutlich auch deutsche Ingenieurs- und sonstige Kunst nicht heraushelfen.+++

+++ So, das Wochenende steht vor der Tür und ungemütliches Wetter ist angekündigt. Zeit, mal Radio zu hören – denn Samstag und Sonntag sind die Tage für die Medienmagazine im Hörfunk. Als da unter anderem wären: "Töne, Texte, Bilder" in WDR 5 und das „Muss für alle Beitragszahler“: das "Medienmagazin" des RBB, verantwortet vom ohnehin multimedial aufgestellten Jörg Wagner (auch seine eigene Homepage ist immer einen Klick wert). Auf DRadio Kultur gibt’s "Breitband". Der Saarländische Rundfunk wartet mit der "SR2Medienwelt" auf und der BR mit dem "B5-Medienmagazin" und natürlich: "Markt und Medien" im Deutschlandfunk. Das alles auch als Podcast, zum zeitsouveränen Hören - und nachlesen kann man die Beiträge überdies. +++

Und am Montag erscheint das Altpapier in Form Geschenkpapiers Nr. IV (von Robert Kisch).

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