The Company Formerly Known As Google

The Company Formerly Known As Google
Google heißt jetzt Alphabet, was bedeutet, dass man nun eine Produktpalette von A bis Z im Angebot hat. Für manche klingt das vor allem nach A wie Allmachtsanspruch. Außerdem: Die Landesverrats-Spur führt ins Innenministerium. Ein Gericht mag keinen Teaser verbieten. Facebook wird Twitter. Und Iris Berben tritt in Bezug zur Zahl 65.

Zu dumm, selbst zu googeln, aber dennoch auf direktem Weg, die Weltherrschaft an sich zu reißen. Das ist sie, die Zusammenfassung des Spektrums an „Oh mein Gott, Google heißt jetzt Alphabet, was zur Hölle bedeutet das und müssen wir jetzt alle sterben, im Sinne von: bingen?“-Berichterstattung, die der „hier und dort ein Huch hervorrufenden Top-Nachricht des späten Montagabends“ (Altpapier) folgte.

„We’ve long believed that over time companies tend to get comfortable doing the same thing, just making incremental changes. But in the technology industry, where revolutionary ideas drive the next big growth areas, you need to be a bit uncomfortable to stay relevant. Our company is operating well today, but we think we can make it cleaner and more accountable. So we are creating a new company, called Alphabet.“

So erklärt Larry Page auf der Website mit der schönen Url abc.xyz die Entscheidung, das Unternehmen in eine Holding umzuwandeln nach dem „Vorbild [der] Holding-Firma Berkshire Hathaway der Investorenlegende Warren Buffett, Pages Idol.“ (SZ Wirtschaft, S. 15) / „Über Nacht haben sie Google in ein gigantisches Firmenkonglomerat à la Berkshire verwandelt - und sich selbst damit in die Warren Buffetts der Silicon-Valley-Generation.“ (Spiegel Online) / „Der Vergleich des Konzerns aus dem Silicon Valley mit dem Firmenimperium von Warren Buffett scheint etwas weit hergeholt zu sein. Und selbst im IT-Bereich gäbe es passendere Beispiele. Falls Google sich weiterentwickelt und den stetigen Wandel auf dem Feld der Informationstechnologien meistert, dürfte das Unternehmen künftig eher mit IBM verglichen werden. (NZZ)

Fragen Sie eine Wirtschaftskolumne Ihres Vertrauens, welcher Holdingverleich der angemessenste wäre. Dann können wir uns hier der Frage widmen, wie deutsche Medien reagieren, wenn man seinen neuen Laden Alphabet nennt.

1. Jemand dekliniert seine Sparten durch von A bis Z. (Der Standard)

2. Und ist mit dieser Idee nicht allein. (taz)

3. Jemand erklärt, woher das Wort kommt:

„Ins Spätmittelhochdeutsch wurde das Wort aus Kirchenlateinisch ,alphabetum’ übernommen, das auf das gleichbedeutende griechische ,alphabetos’ zurückgeht. Wie unser deutscher Ausdruck ,Abc’ ist auch das griechische Wort aus den Anfangsbuchstaben des Alphabets – bei den Griechen ,alpha’ und ,beta’ – gebildet.“ (Die Welt)

4. Jemand leitet daraus einen Allmachtsanspruch ab:

 „Sprache beeinflusst unseren Verstand und unser Fühlen. Wer das Alphabet des Denkens vorgibt, der prägt damit unsere Identität. Google will mit diesem neuen Konzernnamen also nichts weniger sagen als: Wir diktieren die Buchstaben des Internets und stellen so zugleich die Textur der digitalen Welt bereit. Google liefert mit dem Alphabet die verschiedenen Bausteine der Netzsprache, in der letzten Konsequenz also die Essenz des World Wide Web. Der universale Dienstleister der Sprache will unsere Welt von A bis Z formen und hat dabei die Macht der Worte auf seiner Seite.“ (Hannoversche Allgemeine)

5. Und die FAZ hat nicht nur einen Text, der beweisen soll, dass Google mancherorts längst den Staat macht:

„Es ist nicht nur der Aufbau einer Internet-Infrastruktur, mit dem die Firmen staatliche Aufgaben übernehmen. Google steht in Gesprächen mit der Regierung des indischen Bundesstaats Arunachal Pradesh über die Einführung von Chromebooks. Die Schüler sollen auf dem mobilen Computer, der mit Googles Betriebssystem Android läuft, lernen. Der Deal: Bildung gegen Daten. (...) Wo der Staat schwach ist, sind die Internetkonzerne stark. Sie füllen ein Vakuum, das durch zunehmende Staatsverschuldung und Rückbau der Sozialstaatsleistungen entsteht.“

Sondern auch noch Platz, damit Michael Hanfeld erklären kann, dass sich Alphabet formally known as Google bloß nicht einzubilden brauche, hierzulande ähnlich agieren zu können:

„Nur in Europa haben die Alphabetisierer aus dem Silicon Valley bislang den einen oder anderen Dämpfer erhalten. Weil man hier die Ordnung der Welt ein wenig anders buchstabiert als in den Vereinigten Staaten.“

6. Woraus sich Frage ableitet, ob die Umstrukturierung eigentlich Folgen für das Vorgehen der EU-Kartellwächter gegen Google hat:

„Die Antwort ist simpel: Keine. Alle Bereiche, die aktuell im Fokus der Kartellwächter stehen, werden auch künftig innerhalb von Google angesiedelt sein. Gleichzeitig ist allerdings davon auszugehen, dass die Kommission jegliche weiteren Expansionspläne von Alphabet äußerst kritisch beäugen wird.“ (Der Standard)

7. Moment. US-amerikanisches Technikunternehmen? Höchste Zeit für einen Apple-Vergleich: 

„Wenn in zehn Jahren nach dem Thema Internet-Suche wirtschaftlich kein Hahn mehr kräht, aber die Nachfrage nach selbststeuernden Autos durch die Decke geht, dann kann Alphabet die Suche einfach abstoßen - so wie Apple seinen iPod heute nur noch ein Gnadenbrot gewährt, während die geballte Entwicklungsmacht in neue Konzepte wie die Apple Watch fließt.“ (tagesschau.de)

8. DWDL entdeckt im Quellcode einen Insiderwitz:

„Inmitten des achten Absatzes seiner Nachricht baute Page in den Punkt am Satzende einen Link ein, der zu Hooli.xyz verlinkt. ,Hooli’ ist eine fiktive Firma, die im Mittelpunkt der im vorigen Jahr gestarteten HBO-Comedyserie ,Silicon Valley’ steht. Die Ähnlichkeiten zum Weltkonzern Google sind von den Machern der Serie durchaus gewollt. Umso kurioser, dass Hooli in der Serie eine Zukunftsabteilung mit dem Namen Hooli XYZ gründet - mit Blick auf die neue Google-Mutter eine geradezu verblüffende Parallele, die vermutlich nicht zuletzt Larry Page reichlich amüsiert haben dürfte.“

9. Während Meedia zusammenkehrt, welche Nachrichtchen im Windschatten der Nachricht noch so aufgelaufen sind:

„Findige Web-Spaßvögel sicherten sich bereits abc.wtf und leiten die Domain gleich mal zum Microsofts Such-Rivalen Bing um. (...) Das ist bei Alphabet.com anders. Diese Domain gehört der gleichnamigen BMW-Tochter, einem Experten für Leasing und Full-Service-Lösungen. (...) Die Deutschland-Tochter bewies nämlichen einen erstaunlichen Weitblick. Das Hauptquartier in Hamburg befindet sich seit Jahren in der ABC-Straße.“

10. Und zum Schluss fasst Zeit Online alles noch einmal zusammen:

„Alle mäßig unterhaltsamen Wortspiele sind gemacht, hier und da hallt noch ein Don't-be-evil-Echo durchs Internet, und die Redaktionen haben ihre A-bis-Z-Liste der künftigen Alphabet-Sparten, -Töchter und -Projekte zusammengesucht. Zeit, sich drei sachliche Fragen zum geplanten Umbau von Google zu stellen: Warum überhaupt, warum jetzt und welche Folgen hat er für Google-Nutzer?“ (Kleiner Spoiler: Sie werden in umgekehrter Reihenfolge wie folgt beantwortet: hat kaum Folgen für Nutzer, sondern eher für Aktionäre und Mitarbeiter / weiß nicht / es ist kompliziert.)

[+++] Höchste Zeit für unsere tägliche Portion netzpolitik.org, wozu die Frankfurter Rundschau heute Morgen vermeldet, das Innenministerium sei über die Anzeige wegen Landesverrats nicht nur informiert gewesen, sondern habe aktiv daran mitgearbeitet. „Die Spur führt ins Innenministerium“ ist der Artikel überschrieben, was impliziert, dass hier trotz des Rentenbescheids für Harald Range und der Einstellung des Verfahrens noch Verantwortliche zur Strecke zu bringen sind.

Die Nachricht überrascht nur so mittel, wenn man sich die politische Agenda der Regierung in Erinnerung ruft, wie Daniel Bouhs es auf der Zapp-Website macht:

„Bekenntnisse zur Pressefreiheit hin oder her: Die Bundesregierung plant weiterhin den Straftatbestand ,digitale Datenhehlerei’ einzuführen. Der soll zusammen mit der Vorratsdatenspeicherung kommen, die für Enthüllungsjournalisten und ihre Quellen schon an sich ein Problem ist.“

In den Ministerien Leute sitzen also Leute, denen Veröffentlichungen von Dokumenten wie bei netzpolitik.org ziemlich auf den Senkel gehen und sich dagegen nun eine rechtliche Handhabe basteln wollen. Markus Beckedahl fordert hingegen ein Wistleblower-Gesetz. Dank der 150.000 Euro Spenden, die mittlerweile eingegangen sind, kann er bei nun immerhin einen weiteren Redakteur einstellen. Sein Aufgabengebiet: investigative Recherche zu netzpolitischen Themen, also auch noch mehr Dokumente veröffentlichen. 

Das nennt man dann wohl Kampfansage.


Altpapierkorb

+++ Das Oberlandesgericht Köln entschied sich gestern dagegen, den Teaser zu einem Text zu verbieten, den schon ein Gericht kassiert hatte. Sueddeutsche.de und Meedia berichten. +++

+++ Facebook soll angeblich an einer Art Twitter arbeiten, mit dem Medien Topnachrichten verbreiten können, vermeldet Business Insider UK. Vielleicht bin ich alleine mit dieser Einschätzung – aber wenn Facebook seinen Algorithmus im Griff hätte, bräuchte es nicht Twitter werden, damit wirklich wichtige Sachen auch durchkommen, oder? +++

+++ Fußballberichterstattung ist selten der Hort des Investigativjournalismus. Doch es kann noch schlimmer kommen, als dass Katrin Müller-Hohenstein nach Schafkopf-Runden fragt und dazu Badelatschen verteilt. Nämlich, wenn die Vereine mit Fan-Sendern im Netz selbst die Berichterstattung übernehmen, wie Korbinian Eisenberger auf der Medienseite der SZ darlegt: „Bequemer als Journalisten sind freilich die Fan-Reporter. ,Erst mal eine ganz einfache Frage. Wie geht’s dir denn im Moment?’, begrüßt etwa Darmstadts Klub-Reporter den Spieler Romain Brégerie, der mittlerweile bei Ingolstadt spielt. Der Franzose schildert dann einer wackeligen Kamera, dass Darmstadt trotz des alten Stadions super sei – ungeschnitten, zwölf Minuten lang.“ +++

+++ Im Tagesspiegel erklärt Elisaeth Binder, „dass es neuerdings einen Bezug gibt zwischen [Iris Berben] und der Zahl 65“. +++ Zudem schreibt Matthias Meisner über die Verleihung des Preises für Zivilcourage an den Twitter-Account Straßengezwitscher (@streetcoverage), mit dem zwei Dresdner „unter anderem von den Auseinandersetzungen um das Flüchtlingsheim in Freital oder über den Brandanschlag auf die Asylunterkunft in Meißen - oft früher als andere und auch als die etablierten Medien“ - berichten. +++

+++ „Wir haben joiz noch konsequenter auf die Mediennutzungsgewohnheiten der jungen Zielgruppe ausgerichtet. Unser Zweijähriges feiern wir deshalb mit einer Sonderprogrammierung: kuriose und interaktive Aktionen, volle Battle-Power, tolle Gäste, amtliche Live-Performances und joiz-Fans als Party-Crowd – eben das volle Social-TV-Paket.“ Wenn sie nach diesem bei DWDL zitierten Un-Satz von Britta Schewe, Managing Director von joiz Deutschland, noch Lust haben, sich die Feierlichkeiten zum zweiten Geburtstag des Senders anzusehen, wäre heute zwischen 14 und 20 Uhr dazu Gelegenheit. +++

+++ Meist ist es ein Ärgernis, dass die besten Filme zu solch später Stunde ausgestrahlt werden, dass sie nur die Schlaflosen erreichen. Bastian Günthers Film ,Houston’ hingegen, ein Streifen, in dem fast ausschließlich Ulrich Tukur zu sehen ist – Ulrich Tukur, wie er hinter irgendeiner Autoscheibe kauert und die Stunden verstreichen, Ulrich Tukur in kalter Architektur, Ulrich Tukur im Bad –, braucht einen Sendeplatz, auf den nur noch die Leere der Nacht folgt.“ Meint Matthias Hannemann auf der FAZ-Medienseite über den Film, in dem Tukur den einsamen, trinkenden Headhunter in einem Houstoner Hotel gibt, und den die ARD um 22.45 Uhr zeigt. Auch die SZ und der Tagesspiegel haben eine Rezension. +++

+++ Zwei Zeitschriften namens Joy und Shape laufen unter der neuen Chefredakteurin Ann Thorer die Mitarbeiter weg, weil diese statt am Spaß der Mitarbeiter am Aussehen der Geschäftszahlen interessiert ist, und Bülend Ürük macht bei kress.de keinen der sich aufdrängenden Sprachwitze. Das ist fast ein wenig enttäuschend, wird aber kompensiert durch folgende, verstörende letzte Absätze: „Während ,Joy’ in Niederschlesien gedruckt wird, lässt Bauer ,Shape’ bei VPM Druck in Rastatt drucken. Bei Facebook hat ,Shape’ (aktueller Post: ,Kurz vor seinem Orgasmus musst du diesen Punkt drücken … so dauert das Liebesspiel für euch beide länger’) aktuell 84.827 Fans, bei ,Joy’ (aktueller Post: ,Besser als jeder Käsekuchen – unser kinderleichter Zebra-Käsekuchen Schritt für Schritt erklärt’) sind es 66.474 Personen, die ,Gefällt mir’ gedrückt haben.“ +++

Neues Altpapier gibt es morgen wieder.

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