Es bleibt spannend

Es bleibt spannend

Niemand hat die Absicht, die "Sportschau" abzuschaffen, die DFL will bloß mehr Kohle. Außerdem: spannende Vergleiche zwischen verschiedenen Mächtigen.

Lässigst! Heike Hupertz schreibt Understatement ganz groß in der FAZ (Seite 33), wo sie über 40 Jahre "Polizeiruf 110" schreibt, das heißt vor allem über eine seinerzeit nicht gesendete Folge, die am Donnerstag rekonstruiert und nachsynchronisiert – Anneke Kim Sarnau als Leutnant Vera Arndt aka Sigrid Göhler! – im MDR ausgestrahlt wird. Danach folgt eine "leicht selbstbeweihräuchernde" Dokumentation.

Darin wird mit der Entdeckung der Folge geprahlt. Was Hupertz zu dem leicht richtig stellenden Satz animiert:

"Ganz neu ist die Geschichte allerdings nicht. Schon 2009 forderten wir den MDR auf, das gefundene Material als Zeitdokument zu restaurieren und zu senden (F.A.Z. vom 4. April 2009)."

Done! Wie der Vorgang begrifflich zu fassen ist, bleibt noch offen: Hupertz schwankt zwischen "Zensurwillkür" und "Zensuramoklauf", wobei gerade der zweite Begriff ob seiner Anschaulichkeit gut geeignet ist, die Verhältnisse in dieser DDR zu beschreiben. Man muss wohl davon ausgehen, dass es sich bei ihr um eine Unrechtsdiktatur gehandelt hat.

So ist Hupertzens Text ist auch ein Mahnmal gegen das Vergessen. Denn:

"Wem ist heute geläufig, dass die Idee zu einem der beliebtesten Serienformate im öffentlich-rechtlichen Fernsehen vom DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker persönlich stammt?"

Mit dem Tod von Erich Honecker ist das Ideengeben für beliebte Krimiserien bekanntlich in die Zuständigkeit des DFB-Präsidenten übergegangen, der am besten weiß, was der Zuschauer sehen will:

"DFB-Präsident Theo Zwanziger besuchte mich 2008 während der Dreharbeiten zu einem 'Tatort' in Baden-Baden, um mich als Botschafterin für die Frauenfußball-WM zu gewinnen. Bei Kaffee und Kuchen outete er sich dann als 'Tatort'-Fan und schlug vor, anlässlich der Weltmeisterschaft in Deutschland das Thema Frauenfußball aufzugreifen. Die Redaktion und die Produzenten waren von der Idee angetan, und so wurde dieser 'Tatort' entwickelt. Als Sidekick übernahm Theo Zwanziger die Rolle des DFB-Präsidenten."

Berichtet Ulrike Folkerts im Presseheft zum "Tatort" vom vergangenen Sonntag, der – darf man das sagen – jetzt schon als erfolgreicher Klassiker der Reihe gelten muss, so dass man sich wünscht, der DFB-Präsident möge häufiger Themenvorschläge bei Kaffee und Kuchen machen. Und dass der Folge die Sperrvermerksperrung erspart bleibt, die einige Krimis auf Jahre von einer Wiederholung ausgeschlossen hat.

[listbox:title=Die Artikel des Tages[Nie wieder "Sportschau?" (FAZ)##SpOn: Es bleibt spannend (Niggemeier)##Gar lustig ist das Medienforum (TAZ)##Vom Westen enttäuscht: Tunesien (Berliner)]]

Von einer gewissen Entfernung zwischen Oben und Unten zeugt die Bemerkung, die der Blogger Richard Gutjahr auf dem NRW Medienforum in Sachen New-Media-Affinität von Ganzoben in Old-Media-Buden rausgehauen hat.

"Die Mächtigen in den Sendern kämen ihm vor wie die Machthaber in nordafrikanischen Ländern, die in ihren Palästen sitzen und kaum mitbekämen, was draußen so vor sich gehe."

Reportiert Dwdl.de. Und? Sie ahnen es:

"Das konnten die angesprochenen Mächtigen kaum auf sich sitzen lassen. Monika Piel bezeichnete die Aussage entrüstet als 'dumme Anmaßung'."

Mag sein. Allerdings kann man Gutjahr zugute halten, dass er schlagfertig ist. Auf Piels Frage, woher er das wisse, antwortete Gutjahr: "Ich arbeite für sie."

Kann man nur nüchtern konstatieren wie der KSTA:

"Bereits der zweite Punkt für Gutjahr."

Dass die WDR-Intendantin daraufhin den nahe liegenden, beliebten Verantwortlichen-Gag, "nicht mehr lange" gemacht hätte, ist nicht überliefert. Würde auch besser in amerikanische Fernsehserien passen.

Aber es ist doch schön, wenn es lustig ist, wie Steffen Grimberg in der TAZ findet. Wenn es spannend bleibt, wie die Sprachregelung bei "Spiegel-Online" heißt.

Stefan Niggemeier hat sich die Mühe gemacht, die inhaltlichen Präferenzen der beliebten Internetseite herauszuarbeiten. Und the winner ist ganz klar: Spannung.

"Selbst dem Konferenzraum, in dem die Pressekonferenz stattfand, wirft er (der Spiegel-Online-Redakteur, AP) vor, nicht aufregend gewesen zu sein: Das Spannendste an dem Ort ist, dass hier vor etwas über einem Jahr eine Räuberbande ein Pokerturnier überfiel."

Man muss aber in Gänze lesen, klingt dann ein bisschen wie ein depravierter Thomas Bernhard, diese verzweifelte Suche nach Spannung.


Altpapierkorb

+++ Darüber wollen wir die nun aber wirklich spannenden Themen des Tages nicht vergessen: "Jetzt könnte es der ARD-'Sportschau' doch an den Kragen gehen", frohlockt Michael Hanfeld in der FAZ, wie nur Michael Hanfeld in der FAZ frohlocken kann. Der Grund: "Die Deutsche Fußball Liga (DFL) darf die Rechte weiterhin zentral vermarkten und damit auch via Internet-Szenario die ARD unter Druck setzen. Das Bundeskartellamt habe den Plänen zugestimmt, teilte die DFL am Montag mit", schreibt Markus Ehrenberg im Tagesspiegel. "Die Manager des Profifußballs erwarten offenbar, dass es um die Web-TV-Rechte ein Wettbieten gibt, da auch Verlage wie Springer daran interessiert sein könnten", weiß Christopher Keil in der SZ (Seite 15). Der Liga-Präsident macht derweil den Walter Ulbricht und sagt, welche Absicht niemand hat, wie etwa in der FAZ zu lesen ist: "Es gehe dem Ligaverband 'keineswegs darum, bestimmte Sendungen abzuschaffen', sagte der DFL-Präsident Reinhard Rauball." Ob es wirklich um die Interessen der 30 Millionen Fußballfans in Deutschland geht, von denen Rauball spricht, bezweifelt Hanfeld allerdings: "Doch geht es natürlich in erster Linie ums Geld." Die Vereine wollen mehr. Und deshalb liegt in dem ersten Satz der dpa-Meldung, die auch die TAZ übermittelt ("Die Bundesliga darf die ARD mit einem Internetszenario unter Druck setzen"), die Ahnung, dass die "Sportschau" vielleicht doch überleben könnte, wenn der Preis dafür hochgetrieben wird. Wie auch immer, es bleibt spannend. +++

+++ Auch auf dem Medienforum NRW: Ministerpräsidentin Hannelore Kraft wirft wieder einmal die Idee der Werbefreiheit von Öffentlich-rechtlichen Sendern auf. (KSTA) +++ Der alte Hase Grimberg lässt sich in seinem TAZ-Text von der Forderung nicht ins Bockshorn jagen: "Das ist relativ gefahrlos, weil an diesem Punkt die CDU wie beim Atomausstieg launisch-wechselwarm und gerade mal wieder dagegen ist." +++

+++ Sonja Zekri schildert in der SZ (Seite 15) leicht angewidert die Zustände im Journalistenhotel Rixos in Libyen: "Krisen ziehen eine sehr spezielle Sorte Journalisten an, denen man normalerweise meist entgehen kann. Im Rixos nicht. Falls die Redaktionen es sich leisten können, bleiben die Reporter monatelang. Manche entwickeln Jugendherbergsrituale: eine gemeinsame Facebookseite, Tischtennisturniere, Lagerfeuergeschichten, die mit Sätzen beginnen wie 'Als in Afghanistan eine Granate unser Zelt traf und ein Soldat in Unterhosen rauslief...'" +++ Enttäuscht vom Westen zeigt sich dagegen die tunesische Bloggerin Lina Ben Mhenni im Interview mit der Berliner: "Die Tunesier sind schlecht auf den Westen zu sprechen. Sie sagen, dass die westlichen Länder kein Recht haben, in unsere Politik einzugreifen. Auch ich denke, dass Regierungen wenig helfen können, das sollten lieber NGOs machen."  Womöglich weiß sie aber auch nicht, was sich in diesem Westen alles NGO nennen darf. +++ Die Berliner bespricht außerdem eine misslungene Pferdeserie in der ARD: "Zwar gibt es einige nette Dialoge ('Unternehmensberater können mehr als Leute entlassen.' – 'Was denn?' – 'Personal abbauen.'), auch erfährt der Zuschauer, dass man die anderen Pferde von der Leitstute fernhalten sollte."

+++ David Denk räsoniert in der TAZ "ein Stück weit" über Gottschalks Zukunft nach dem Himalaya-Urlaub und die von "Wetten, dass...?" nach Gottschalks letzten drei Abschiedssendungen. +++ Nicht nur die Welt hat sich auf Hape Kerkeling festgelegt für die Nachfolge. +++ Die TAZ gratuliert zu 20 Jahren "Kreuzer", dem Leipziger Stadtmagazin, das in der öden Monokultur von Madsacks konservativ-lahmer LVZ für, manche würden sagen, Spannung sorgt. +++

Neues Altpapier gibt's morgen wieder ab 9 Uhr.

 

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